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Resilienztrainings in Unternehmen. Ein zweischneidiges Schwert.


Warum Resilienztrainings im Unternehmenskontext den Mitarbeitenden sogar Schaden zufügen können, wenn sie nicht positiv und nachhaltig konzipiert sind. Ein Blogartikel inklusive der 10-Punkte-Checkliste für gut gestaltete Resilienztrainings.

Fragen, die dieser Artikel beantwortet: Was zeichnet resiliente Menschen aus? Ist Resilienz erlernbar? Wie hängen Resilienz, psychische Gesundheit und berufliche Leistungsfähigkeit zusammen? Welche Faktoren in Unternehmen beeinflussen Leistung und Gesundheit? Was sind Risiken von Resilienztrainings? Und wie lassen sich diese vermeiden?

Eine englische Version des Artikels findet sich hier.

Was versteht man unter Resilienz?

„Widerstandsfähigkeit zeigen“, „sich nicht unterkriegen lassen“ und „stressresistent sein“, das alles sind umgangssprachlich benutzte Ausdrücke für Resilienz. Resilienz ist also menschliche Fähigkeit, konstruktiv mit krisenhaften Lebenssituationen und hoher Stressbelastung umzugehen. Auch im Unternehmenskontext wird Resilienz häufig thematisiert. Durch vom Management bezahlte Resilienztrainings sollen die Arbeitnehmenden darin unterstützt werden, auch in Stressphasen gesund zu bleiben. Wie hilfreich sind diese Maßnahmen? Und können solche Trainings der psychischen Gesundheit sogar schaden?

Woher stammt der Resilienzbegriff?

Ursprünglich kommt der Begriff der Resilienz aus der Mechanik und bedeutet, dass ein Objekt seine Form auch unter Belastung beibehält. In der Psychologie wurde der Ausdruck dann übertragen auf die Robustheit der psychischen Gesundheit, welche auch als Widerstandsfähigkeit bezeichnet werden kann.

Studien zum Thema Resilienz beschäftigen sich seit Langem mit der Frage, warum einige Menschen gestärkt aus schweren Krisen, wie zum Beispiel Gewalt- oder Foltererfahrungen, hervorgehen, andere dagegen sich nie von davon erholen und lebenslang mit schweren psychischen Folgen kämpfen. Eigenschaften und Rahmenbedingungen, die die psychische Gesundheit von Menschen unter widrigen Umständen schützen (Salutogenese), werden unter dem Begriff Resilienz zusammengefasst.

Im Rahmen von betrieblichen Resilienztrainings werden von Mitarbeitenden jene Fähigkeiten gefordert, die Menschen in Umgebungen mit Gewalt oder Folter geholfen haben. Sollten sich nicht eher Unternehmen bemühen, andere Umgebungen zu schaffen und ihre Arbeitsstrukturen zu ändern?

Was zeichnet resiliente Menschen aus?

Es ist wichtig zu betonen, dass die Mehrheit der Menschen die Fähigkeit zur Resilienz besitzt. Viele entwickeln nach traumatischen Erlebnissen keine Belastungsstörung oder sonstige psychische Erkrankungen.

Die Resilienzforschung hat verschiedene Voraussetzungen identifiziert, die Resilienz begünstigen (bspw. Connor & Davidson, 2003).

  1. Individuelle Ressourcen
    • Einen Sinn in Geschehnissen sehen
    • Veränderung als Chance wahrnehmen
    • Optimismus (der Glaube an den guten Ausgang)
    • Selbstwirksamkeit statt Opferrolle (die Überzeugung, selbst handeln zu können, statt ausgeliefert zu sein)
    • Humor
    • Kreative Problemlösefähigkeit bzw. Lösungsorientierung
    • Sinnkonzepte und Werte
  2. Soziale und strukturelle Ressourcen
    • Stabile und qualitativ hochwertige soziale Beziehungen
      • die uns Sicherheit geben und (an) uns glauben
      • die uns neue Perspektiven eröffnen
      • die uns aktiv bei der Lösungsfindung helfen
    • Gruppenzugehörigkeit, die Sinnkonzepte und Werte stärkt (z.B. Religion)
    • Rituale und Routinen

Ist Resilienz erlernbar?

Individuelle Ressourcen für Resilienz sind also vor allem Charaktereigenschaften. Sie werden gebildet durch genetische Bedingungen, Erfahrungen der frühen Kindheit und Ereignisse des späteren Lebens. Es handelt sich bei Resilienz weder um Handlungsabläufe, die sich bei anderen abschauen lassen, noch um Wissen, welches durch Auswendiglernen verinnerlicht werden kann.

Wichtig sind nachhaltige Lernerfahrungen. Also multi-methodische und langfristige Trainingskonzepte – etwa wie Strukturen zum Lernen eines neuen Instrumentes.

Außerdem ist wichtig zu betonen, dass sowohl Stress als auch Resilienz sehr individuell und wandelbar sind (vgl. Stressmodell von Lazarus). Was ist damit gemeint? Nicht jede Herausforderung stellt für alle Menschen die gleiche Belastung dar. Wer in Bezug auf Arbeit sehr resilient ist, kann durchaus in privaten Beziehungen vulnerabler, also leichter verletzlich, sein. Und wer gerade an einer psychischen Erkrankung leidet, braucht etwas anderes als ein präventives Training in Resilienz.

Ein gutes Resilienztraining ist also kein reines Manual (keine Schablone), sondern adaptiv. Es bietet Raum, die eigenen “wunden Punkte” zu verstehen und Werkzeuge zu entwickeln, die zu den eigenen psychischen Startvoraussetzungen passen.

Wie hängen Resilienz, psychische Gesundheit und berufliche Leistungsfähigkeit zusammen?

Im Rahmen der Diskussion um Resilienztrainings ist es wichtig zu betonen, dass Leistungsfähigkeit, Produktivität und Zufriedenheit von Mitarbeitenden nicht alleine und auch nicht zu einem großen Teil durch deren Resilienz-Eigenschaften bestimmt werden. Großen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit von Menschen haben vor allem Belastungen und Ressourcen im Arbeitskontext. Wichtige Faktoren sind u.a.:

  • Strukturen, Prozesse, Kultur (bspw. Meetings, Feedback, Zeiterfassung, Entlohnung)
  • Kommunikation und Kommunikationskanäle, Informations- und Wissensmanagement
  • Aufgabenvielfalt, Passung zu Interessen und Stärken, Über- vs. Unterforderung
  • Unterbrechungen, Fragmentierung von Abläufen und Themen
  • Führungs- und Teamverhalten
  • “Psychological Safety”: Geborgenheits- und Zugehörigkeitsgefühl als Individuum
  • Gute Strategien zu Themen wie Familienfreundlichkeit, New Work, Diversität & Inklusion sowie Beschwerdemanagement

Können Resilienztrainings in Unternehmen auch schaden?

Um das mögliche Risiko zu verstehen, sind folgende Punkte zusammenfassend noch einmal wichtig zu betonen: 

  • Resilienz ist nur bedingt erlernbar ist und hängt sehr mit individuellen lebensgeschichtlichen und aktuellen Lebensbedingungen zusammen
  • Leistungsfähigkeit und psychische Gesundheit in Unternehmen sind maßgeblich auch durch die Organisationskultur beeinflusst. Somit sollten nicht nur Mitarbeitende ihre Resilienzfähigkeit trainieren, sondern Unternehmen dringend auch gesundheitsförderliche Arbeitsstrukturen bieten

Unter folgenden Voraussetzungen sind Resilienztrainings daher riskant:

1. Wenn ein Unternehmen ein Resilienztraining anbietet, ohne die eigene Verantwortung für psychische Gesundheit ernst zu nehmen, ist das fachlich, moralisch und wirtschaftlich verwerflich.
2. Suggeriert ein Training durch Inhalt oder Konzeption (z.B. einmaliger Kurzworkshop), Resilienz sei ganz einfach zu erlernen, führt dies zu Druck, falschen Erwartungen und Unzufriedenheit.
3. Sollten Beschäftigte mit einer psychischen Erkrankung im Training sitzen, ist es fatal zu suggerieren “ihr müsst einfach etwas optimistischer sein”. Dies kann das Befinden verschlechtern. Rein statistisch betrifft dies bis zu 30% der Anwesenden.

Betriebliche Resilienztrainings zielen oft darauf ab, dass Mitarbeitende ein “dickeres Fell” entwickeln. Sinnbildlich gesehen ist das so, als sage das Unternehmen: “So ist der Schmerz, den unsere Organisationsstrukturen auslösen, besser aushaltbar”

Wie können Resilienztrainings so gestaltet werden, dass sie sich positiv auf die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz auswirken?

Hier findet sich nun die 10-Punkte-Checkliste für gute Resilienztrainings. Die Liste kann hier auch heruntergeladen werden.

Bei Interesse an Austausch, Beratung oder Trainingsangeboten, melden Sie sich gerne jederzeit unverbindlich bei mir. Um weitere Artikel dieser Art nicht zu verpassen, können Sie gerne meinem Blog folgen oder sich bei Linked in mit mir vernetzen.

1. Vor solchen Trainings sollten Unternehmen ihre Hausaufgaben im BGM (“Betriebliches Gesundheitsmanagement”) machen und gesundheitsfördernde Arbeitsstrukturen schaffen.
2. Auf die geschaffenen BGM-Strukturen und -Benefits sollte in Resielienztrainings hingewiesen werden. Oft sind diese den Teilnehmenden nicht bekannt.
3. Ein Training sollte wenigstens am Rande auch über andere betriebliche Einflussfaktoren auf die psychische Gesundheit (z.B. Arbeitsabläufe, Führung) aufklären. Es sollte eine Anlaufstelle für dahingehenden Diskussionsbedarf genannt werden.
4. Wenn Mitarbeitende trainiert werden, sollten dringend auch Resilienztrainings für Führungskräfte angeboten werden. Diese spielen eine enorme Rolle als Vorbilder und sind häufig selbst sehr belastet. Sie sollten außerdem Stressreduktionsmaßnahmen ihrer Mitarbeitenden unterstützen.
5. Gute Trainings sollten genügend Raum für das Erkunden individueller Stressoren beinhalten und keine Tipps verallgemeinern.
6. Unerlässlich ist natürlich die richtige Fachexpertise der Trainer*innen. Haben diese bereits selber erfolgreich andere Menschen aus (Stress-)Krisen heraus begleitet?
7. Gute Trainings sind Lernerfahrungen statt Frontalkurse. Es eignen sich sogenannte “Blended Learning” Formate, Buddy Programme, Mentoring etc.
8. Qualitativ hochwertige Resilienztrainings sollten auch einen kurzen Exkurs enthalten. Wie unterscheiden sich Stresserleben und eine psychischen Erkrankung? Bei wem hilft ein Resilienztraining vermutlich nicht? Und was können diese Personen tun (s. 9)?
9. Es sollten Hinweise auf professionelle psychologische Hilfsangebote gemacht werden. Denn es ist wahrscheinlich, dass der Unterstützungsbedarf einiger Anwesenden mit einem Training nicht ausreichend gedeckt werden kann (s. 8).
– Betriebspsychologische Angebote
– Sog. Employee Assistance Programs (EAP)
Krisenberatungen
Leitfäden zum Finden von Psychotherapie (hier auch auf ENG, denn gerade internationale Mitarbeitende brauchen diese Info dringend)
10. Der Erfolg guter Trainings sollte mit einer wissenschaftlich fundierten Erfolgsevaluation gemessen werden.

Lesetipp: Über die Gefahr des Selbstoptimierungsdrucks außerhalb von Organisationen findet sich hier ein spannender Blogartikel von Tina Steckling (Soulmates).

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