Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung
von Katrin Terwiel
[Hinweis: Eine Englische Version des Beitrags findet sich hier]
[Note: an English version of this article can be found here]
In den 90er Jahren wurde der Bedarf an Psychotherapie berechnet und eine bestimmte Anzahl von Kassensitzen vergeben. Einen Kassensitz zu haben, bedeutet für Psychotherapeut*innen, unkompliziert mit den gesetzlichen Kassen abrechnen zu können und im Gegenzug für die Regelversorgung psychisch erkrankter Menschen zuständig sein.
Der Bedarf an Psychotherapie ist gestiegen, die Berechnungen wurden bisher aber nicht angepasst.
Es gibt zudem weniger Kassensitze als approbierte Psychotherapeut*Innen, daher eröffnen viele Kolleg*innen private Psychotherapiepraxen. Daraus ergibt sich eine Chance, die im Folgenden erläutert werden soll.
Viele niedergelassene Psychotherapeut*innen (Bezeichnung für Behandler*innen mit Kassensitz) haben in ihren Praxen lange Wartelisten – oft mehr als 6 Monate. Da jedoch Psychotherapie eine versicherte Leistung bei allen gesetzlichen Kassen ist und somit ein Anspruch darauf besteht, wenn eine psychische Erkrankung vorliegt, müssen die Kassen bei Systemversagen eine Ersatzleistung zahlen.
Wer also nachweisen kann, in der Regelversorgung – also in Kassensitzpraxen – keinen Platz gefunden zu haben und dringend Behandlung zu brauchen, hat Anspruch darauf, dass die Kassen Therapiekosten in einer Privatpraxis übernehmen.
Wie Sie Ihren Bedarf und Ihre Suche nachweisen können, dazu finden Sie hier eine Schritt für Schritt Anleitung zum Finden eines Therapieplatzes.
Hinweis: Sowohl Kassensitze als auch das Kostenerstattungsverfahren beziehen sich auf eines der drei, von den Kassen anerkannten, Richtlinienverfahren: Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (kurz Tiefenpsychologie) und Verhaltenstherapie. Informieren Sie sich, was für Sie passend sein könnte und lassen Sie sich während der folgenden Schritte dazu beraten.
Rufen Sie bei der zentralen Terminvergabestelle der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) an, dort werden Termine für psychotherapeutische Sprechstunden vergeben.
Die Servicestelle für Berlin ist telefonisch (030 31003383) und online erreichbar: Weiterführende Informationen und die Nummern für andere Bundesländer finden Sie auf den Seiten der Kassenärztlichen Vereinigung.
Ihnen muss ein Termin innerhalb der nächsten vier Wochen genannt werden. Da es sich um eine Sprechstunde, also einen meist einmaligen Beratungstermin, handelt, gehen Sie in der Zwischenzeit Schritt 2 nach.
Wichtig: Am Ende eines Sprechstundentermins erhalten Sie ein Formular namens PTV11, auf dem sind vorläufige Diagnose, Dringlichkeit und Empfehlung festgehalten. Ein wichtiger Schritt ist getan.
Suchen Sie in der Zwischenzeit nach Therapeut*innen mit Kassensitz. Sie können per Suchmaschine suchen, nach Praxisschildern Ausschau halten und Freunde nach Empfehlungen fragen.
Zusätzlich gibt es Suchportale, die die Suche erleichtern:
Wichtig: Führen Sie ein Protokoll Ihrer Suche. Notieren Sie, wen Sie wann wie (Telefon/Mail) kontaktieren und wie die Antwort lautet, also wie lange die Wartezeit mindestens ist. Schreiben Sie auch auf, wenn Sie keine Rückmeldung erhalten.
Wenn es gut läuft, haben Sie jetzt bereits Ihren Therapieplatz gefunden. Herzlichen Glückwunsch!
Sollten Sie mehrere Absagen/Nicht-Antworten gesammelt haben (bestenfalls bis zu 10), nicht verzagen: jetzt können Sie sich an Privatpraxen wenden, die meist mehr freie Kapazität haben. Diese finden Sie ebenfalls über die Suchportale aus Schritt 2.
Vereinbaren Sie Kennenlerngespräche und erwähnen Sie, dass Sie Schritt 1 und 2 bereits gegangen sind. Das ist eine große Arbeitserleichterung für privat arbeitende Psychotherapeut*innen.
Bei einem Kennenlerntermin können Sie herausfinden, ob Sie sich wohl fühlen. Bei Sympathie folgt Schritt 4, das Beantragen der Kostenübernahme bei der Kasse. Sie sollten bei diesem Termin die letzten Unterlagen erhalten, unter anderem Vorlagen für Schritt 4.
Ab hier haben Sie bereits tatkräftige Unterstützung!
Gehen Sie zu Ihrem Hausarzt/Ihrer Hausärztin (oder einem/einer andere/r Arzt/Ärztin des Vertrauens, oder zb Fachrichtung Psychiatrie) und lassen Sie sich eine “ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung” ausfüllen sowie einen Konsiliarbericht. Letzterer soll medizinische Ursachen Ihrer Beschwerden ausschließen und bestätigen, dass medizinisch nichts gegen eine Behandlung spricht. Er ist auch im Rahmen einer Kassensitz-Therapie nötig.
Nun können Sie gemeinsam mit dem/der Psychotherapeut*in das Kostenerstattungsverfahren beantragen. Psychotherapeut*innen legen ihre Eintragungsnummer ins Arztregister der KV bei, sowie Kopien der Approbations- und Verfahrensurkunde bei. Letzteres bezeichnet die Behandlungsmethode, d.h. Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie oder Verhaltenstherapie.
Jetzt heißt es Antrag abschicken und hoffnungsvoll abwarten.
Sie haben die Möglichkeit, die ersten Stunden selbst zu zahlen, um nahtlos zu beginnen.
Nicht immer wird im ersten Schritt bewilligt, dann können Sie gemeinsam falls nötig in Widerspruch gehen. Das Androhen oder die tatsächliche Nutzung juristischer Unterstützung kann in solchen Fällen helfen. Denn Psychotherapie bei nachgewiesener Dringlichkeit und Systemversagen steht Ihnen gesetzlich zu.
Es gibt Kanzleien, die nur bei Erfolg ein – recht geringes – Honorar verlangen. Weitere Hilfe bei Problemen und Links zu juristischer Unterstützung bietet die Seite von Kassenwatch. Machen Sie auch den/die Psychotherapeut*in Ihrer Wahl auf Kassenwatch aufmerksam.
Das Kostenerstattungsverfahren ist geregelt über § 13 Absatz 3 SGB V.
Ich bin Co-Host des Podcasts Deep Shit Talks. Dem Psychologie-Podcast ganz ohne Klemmbrett.
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