New Work & Gesundheit Interview mit Benjamin Rolff

Benjamin Rolff beleuchtet „New Work“ als Weg zur Selbstverwirklichung und betont „Purpose“ für Motivation und Gesundheit. Er rät Unternehmen, New Work umfassend für mehr Flexibilität und Teamarbeit einzusetzen.

Inhalt

Dieser Blogbeitrag ist ein Interview mit Benjamin Rolff, der als Coach und Berater Menschen und Unternehmen auf den Weg in die neue Arbeitswelt begleitet. Mit seiner New Performance Academy schafft er zudem einen Raum für mehr Sinn und Gesundheit in der Arbeitswelt. Er ist passionierter Triathlet und lebt gesunde Leistung in Sport, Arbeit und Leben.

Nachdem wir schon einmal gemeinsam über New Work & Gesundheit gesprochen haben, wollten wir unseren Austausch auf diesem Blog fortführen. Im Folgenden finden sich meine Fragen und seine Antworten.

Was ist für dich New Work und was ist es nicht?

New Work ist mehr als die gegenwärtige Debatte über Home Office oder Remote Work. Zudem bedeutet New Work für mich auch nicht das eigene Leben und die Arbeitsumgebung nach Bali oder Mallorca zu verlegen und dabei zeitlich völlig flexibel zu sein – auch wenn es als ein Teil davon verstanden werden kann.

Wenn ich über New Work rede, dann denke ich global gesehen eher ein neues Arbeits- und Menschenbild. Der Mensch ist in der neuen Welt immer weniger Tool und Ressource der Arbeitswelt. Er nutzt umgekehrt die Arbeit für sein Leben und für seine Selbstverwirklichung. Er stellt sich Fragen wie: Wer möchte ich in der Arbeitswelt sein? Wie kann ich hier wirken? Dabei finde ich enorm wichtig zu betonen, dass die Chancen, die New Work mit sich bringen kann, leider noch sehr stark vom Berufsbild abhängen. Zum Beispiel sind sogenannte “Bürojobs” ganz anders betroffen als solche in beispielsweise Produktion & Einzelhandel. Dennoch werden sich vermutlich alle nach COVID19 immer häufiger die Frage stellen: Wie kann ich meine Arbeit so gestalten, dass sie wirklich zu mir und zu meinen Bedürfnissen passt? Wie kann ich trotz meiner Verpflichtungen selbst-bestimmter leben?

Der Mensch ist in der neuen Welt immer weniger Tool und Ressource der Arbeitswelt.

Das Thema wird sich in Zukunft außerdem nicht bloß auf die Arbeitswelt beschränken. Auch hinsichtlich der Pflege von Angehörigen und sozialem Engagement  wird sich ein ganzheitlicher Blick auf das Leben verstärken. Der Fokus wird vermehrt auf Aspekten wie ausreichend Freiraum für eigene Projekte, gesunden Ausgleich und freiwilliger Betätigung liegen.

Was genau steckt hinter dem beliebten Buzzword “Purpose”?

Die Frage, „Welche Stärken und Talente kann ich als Individuum in meinen Job einbringen?“ gewinnt im Rahmen von New Work zentral an Bedeutung. Genauso, wie die Frage, “welchen unmittelbaren Beitrag ich mit diesen Stärken für mein Umfeld, mein Unternehmen oder die Welt leisten kann”.  Damit in Zusammenhang steht auch der englische Begriff „Purpose“.

Jedes Jahr gibt es neue Studien, die zeigen, dass es Menschen am Arbeitsplatz vermehrt an emotionaler Bindung mangelt. 85 % der Menschen fühlen sich in der Arbeit nicht ausreichend motiviert. Häufig kommt es zur Kündigung, weil die Mitarbeitenden unter dem Gefühl leiden, ihre Lebenszeit mit etwas zu verbringen, was ihnen keine Freude bereitet und nicht wirklich sinnstiftend erscheint.

Ziel wird es daher in Zukunft sein, Menschen auch bei der Arbeit den Raum zu geben, um ihre jeweiligen Werte und Stärken einzusetzen. Nur so kann im Arbeitsleben für maximale Motivation und Antrieb gesorgt werden. Der Mensch arbeitet am besten, wenn er etwas tut, was er gerne tut und was ein Sinngefühl auslöst.

Wie können Unternehmen Einfluss auf den „Purpose“ nehmen?

„Purpose“ ist nicht nur vom Individuum aus zu denken. Es sollte das Ziel des Unternehmens sein, Mitarbeitenden für sich zu gewinnen, die den Purpose des Unternehmens teilen und sich deshalb mit Eigenverantwortung und Engagement dafür einsetzen. Das ist leichter gesagt als getan, denn ernstgemeinter Purpose braucht mehr als einen Claim und eine schicke Kommunikationsbroschüre.

Vielmehr geht es darum, den Mitarbeitenden den Raum zu geben, sich mit dem Unternehmenspurpose auseinanderzusetzen und zu erforschen, welchen Beitrag sie individuell und als Team zu diesem Purpose leisten können und wollen. Teamworkshops können dabei helfen, die Stärken und Mehrwerte des Teams mit dem Unternehmenspurpose in Verbindung zu bringen und einen neuen Antrieb zu entfachen. Zudem sehe ich es auch als eine spannende Möglichkeit, die Mitarbeitenden untereinander zum Thema Purpose in Verbindung zu bringen und sich über ihren individuellen Purpose auszutauschen. Unternehmen wie Beiersdorf bieten hier bereits Formate, die die internen Beziehungen stärken.

Wie kann New Work unsere Gesundheit am Arbeitsplatz beeinflussen?

Gesundheit und New Work stehen in einem engen Zusammenhang. Fühlen wir uns am Arbeitsplatz wirklich wertgeschätzt und steht unsere Arbeit mit unseren eigenen Werten im Einklang, dann hilft uns das enorm dabei, eine positive Stimmung zu erhalten und uns geistig und körperlich gesund zu fühlen.

Zudem kann uns eine bewusste Arbeitsgestaltung dabei helfen, noch viel stärker Momente des Flow zu erleben und damit nicht nur erfüllter zu arbeiten, sondern auch sehr viel konzentrierter und produktiver. Hierfür bedarf es ein individuelles Bewusstsein, was jede:r Einzelne braucht, um Flow zu erleben. Welche Tätigkeiten erfüllen mich? Wie muss meine Arbeitsumgebung sein, damit ich fokussiert arbeiten kann? Und zu welchen Zeiten kann ich besonders produktiv und konzentriert arbeiten?

Gesundheit und New Work stehen in einem engen Zusammenhang.

Viele Menschen finden sich jedoch immer mehr in einer Position wieder, in der sie hinterfragen, was sie tun. Sie sind überfordert und unmotiviert. Dazu kommt die zunehmende Arbeitsverdichtung, welche Probleme wie Stress und Burnout weiter fördern. Im Zusammenhang sehen wir leider auch eine dramatische Zunahme an psychischen Erkrankungen in den vergangenen 10 Jahren.

New Work kann an dieser Stelle sehr gute Ansätze liefern, um Motivation, Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Mitarbeitenden zu verbessern. Indem man die Arbeit so gestaltet, dass die eigenen Bedürfnisse Berücksichtigung finden, kann sich das Wohlbefinden verbessern.

Das ist jedoch zum Einen kein Prozess, der von heute auf morgen passiert und zum Anderen liegt es oft in den Händen der Arbeitnehmenden, ihre Arbeit aktiv so zu gestalten, dass es für sie gesund ist.

High Performance: Sind starke Leistung und eine gute Gesundheit vereinbar?

Ich bin mir sicher, dass wir in Zukunft immer mehr Optionen und Flexibilitäten haben werden, um unsere  eigene Arbeit so zu gestalten, dass sie unsere Bedürfnisse befriedigt, als auch die beste Leistung ermöglicht. Dazu gehört das Hinterfragen des eigenen „Purpose“ und die Frage, wie wir auch auf gesundem, nachhaltigem Wege Höchstleistungen erbringen können.

Ein wesentlicher Aspekt liegt in dem Bewusstsein, dass wir alle nicht 24 Stunden am Tag Höchstleistungen erbringen können, sondern Phasen durchleben, in dem wir sehr aktiv und konzentriert arbeiten können, und Phasen haben, in denen wir uns regenerieren müssen. Eine mögliche Maßnahme, die sich jedem bietet ist es, diesen eigenen idealen Arbeits-Rhythmus zu erkennen. Zum Beispiel gehören dazu Fragen wie: Wann kann ich mich am besten konzentrieren? Wie gestaltet sich im Tagesablauf mein körperliches Energie-Empfinden? Wann bin ich besonders kreativ?

Die Wissenschaft der Chronobiologie unterscheidet hier verschiedenen sogenannte Chronotypen. Am bekanntesten, sind die Frühaufsteher und die Nachtschwärmer. Doch es gibt auch diverse Mischtypen, die einen ganz anderen Rhythmus verfolgen. Die Kunst liegt darin, diesen Rhythmus für sich zu erkennen und für Leben und Arbeit einzusetzen. Weiß man, wie der eigene Körper funktioniert, dann lässt sich die Arbeit besser daran ausrichten.

Natürlich ist es nicht nur eine individuelle Frage, wann welche Tätigkeiten sinnvoll sind. Auch im Team sollte mit Sorgfalt abgestimmt werden, wann Meetings angesetzt werden und wann den Mitarbeitenden durch eine Meeting-freie Zeit Erholung verschafft werden kann. Meetings lassen sich gut dann ansetzen, wenn die Mitarbeitenden nicht gerade in ihrer Hochphase der Konzentration sind. Phasen hoher Konzentration können am besten für individuelle, anspruchsvolle Arbeiten eingesetzt werden

Wie kann ein Unternehmen strategisch an New Work arbeiten?

New Work deckt ganz unterschiedliche Facetten ab. In Zukunft müssen strategische Entscheidungen getroffen werden, um innerhalb der äußeren Veränderungen sinnvoll zu agieren. Daher wird es für Unternehmen besonders wichtig sein, bereichsübergreifend zu handeln.

New Work Initiativen sollten nicht nur eindimensional gestaltet werden, sondern verschiedene Bereiche des Unternehmens einbeziehen. Dazu gehören zum Beispiel die Gestaltung  des internen Knowledge-Managements und der Einsatz von neuen Technologien zur Kommunikation und Interaktion. Der Personalbereich hat zudem Fragestellungen rund um Kultur- und Organisationsentwicklung im Blick. Und ein Strategiebereich bringt übergeordnete Impulse zur Zukunftsfähigkeit der Organisation ein.

Erste New Work Maßnahmen können beispielsweise durch eine Taskforce angegangen werden, die sich aus diesen unterschiedlichen Bereichen zusammensetzt und auf ganzheitlicher Ebene erste Aktionen definiert, die das Unternehme aus Ganzes voranbringt.

Meine eigene Empfehlung wäre, diese Initiativen darauf zu fokussieren, neue Möglichkeiten für die Zusammenarbeit zu schaffen.

Was es dafür braucht sind besonders technische Voraussetzungen, die eine Flexibilität hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeit ermöglichen. Auch Techniken der Vernetzung sind wichtig. Initiativen wie „working out loud“ sind gute Beispiele dafür, wie man Menschen zusammenführt. Die eigenen Interessen werden verfolgt, gleichzeitig wird jedoch auch gegenseitige Unterstützung und Hilfe geboten. Das ist sowohl für die Erweiterung des eigenen Netzwerkes als auch für die Stärkung von Beziehungen hilfreich.

Worauf wird es nun besonders im Jahr 2021 ankommen, um die gesunde Arbeit von Morgen zu gestalten?

Während der Corona-Krise haben sich viele Menschen in einer Ausnahmesituation wiedergefunden. Für das kommende Jahr sollte sich nun die Frage gestellt werden, was man in dieser Zeit gelernt hat und wie man in Zukunft miteinander arbeiten möchte. Welche Bedürfnisse sind aufgetreten? Wie sieht das Arbeitsmodell der Menschen aktuell aus? Welche Bedürfnisse sind noch nicht optimal gelöst? Vielleicht mangelt es an neuen Initiativen, Schulungen oder an technischer Ausstattung.

Auch die Mitarbeiterkultur sollte nun thematisiert werden. Wie können beispielsweise emotionale Kontakte beibehalten oder neu aufgebaut werden? Wie geht es der Belegschaft nach der Ausnahmezeit? Die Mitarbeitenden sollten hierzu befragt und Maßnahmen entsprechend eingeleitet werden.

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